Marionetten by Carre John le

Marionetten by Carre John le

Autor:Carre, John le [Carre, John le]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-03-24T23:00:00+00:00


9

Stell deine Fakten klar und nüchtern zusammen.

Du bist Juristin.

Du magst eine hilflose Frau sein, die es vor Wut fast zerreißt, aber du wirst dich von deinem kühlen Kopf leiten lassen, nicht von deinen Emotionen.

Dieser klackende Eisenlift, in dem du fährst, befördert dich aufwärts, nicht abwärts. Das sagt dir ein Gefühl im Magen, das nichts zu tun hat mit deinen übrigen Empfindungen, mit der Übelkeit, dem diffusen Schmerz des Ausgeliefertseins.

Du wirst demnach in ein oberes Stockwerk verfrachtet, keinen Keller, wofür du verhalten dankbar bist.

Dieser Lift hält unterwegs nicht an. Er hat keine Knöpfe, keinen Spiegel, kein Sichtfenster. Er riecht nach Diesel und nach Äckern. Es ist ein Viehlift. Er riecht wie der Sportplatz deiner Schule im Herbst. Erörtern Sie.

Wer in diesem Lift fährt, tut das nicht aus freien Stücken. Du stehst zwischen zwei Frauen, die dich entführt haben, indem sie so taten, als wärt ihr Freundinnen. Zu ihnen stieß etwas später eine dritte Frau, die sich nicht als deine Freundin geriert hat. Keine von ihnen hat sich dir vorgestellt. Keine hat in deiner Hörweite irgendeinen Namen benutzt außer deinem eigenen.

Niemand, nicht einmal Issa, kann dir schildern, was für ein Gefühl das ist, der Freiheit beraubt zu werden, aber allmählich geht es dir auf.

Du bist eine Juristin, der allmählich ein Licht aufgeht.

Mit dem schwarzen Saab als Vorhut waren sie in gemessener Prozession an Kirchtürmen und Werften vorbeigerollt, hatten brav an roten Ampeln angehalten, beim Abbiegen korrekt den Blinker gesetzt, waren ohne Hast durch Alleen mit behaglich erleuchteten Villen gefahren, dann durch eine Industriebrache, über Streifen von Eisenzacken, die sich vor ihnen flach auf den Boden klappten, hatten bei einem von Natodrahtrollen flankierten Wachhaus gebremst, aber nicht angehalten, und den rot-weißen Schlagbaum vor dem Saab in die Höhe gehen sehen. Ein flutlichtbestrahlter Asphalthof empfing sie: auf der einen Seite parkende Autos und stumpfäugige Bürogebäude, auf der anderen ein alter Pferdestall, der ein entfernter Verwandter der Ställe auf ihrem Familiengut bei Freiburg zu sein schien.

Aber der VW-Bus blieb nicht stehen. In langsamem Tempo – verstohlen, wie es Annabel vorkam – fuhr er auf der dunkleren Hofseite weiter, bis er nur wenige Meter vor dem Pferdestall anhielt. Ihre Bewacherinnen machten Annabels Hände von den Eisenringen zwischen den Polstern los, drängten sie hinaus auf die Asphaltfläche und zu einer gerade nur mannshohen Stalltür. Eine dritte, jüngere Frau mit Sommersprossen und einem Jungenhaarschnitt wartete schon auf sie. Sie standen in einer Sattelkammer ohne Sättel. An den Wänden Eisenhaken und Sattelstöcke. Ein alter Tränkeimer mit einer aufgemalten Regimentsnummer. Eine niedrige Polsterbank, darauf eine zusammengefaltete Decke. Eine Waschschüssel wie im Krankenhaus. Seife. Handtücher. Gummihandschuhe.

Jede der Frauen bewachte ein Drittel von ihr. Die Augen der Sommersprossigen hatten die gleiche Farbe wie die von Annabel. Vielleicht fiel es deshalb ihr zu, das Wort an sie zu richten. Sie schwäbelte leicht – womöglich ein weiterer Grund. Es gibt zwei Möglichkeiten, Annabel, erklärte sie ihr. Wir folgen dem Standardvorgehen für Terrorismussympathisanten. Entweder Sie fügen sich friedlich, oder wir müssen Sie in Gewahrsam nehmen. Was ist Ihnen lieber?

Ich bin Anwältin.

Fügen Sie sich oder nicht?

Also fügte sie sich.



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